Ham wa nich!
… oder vielleicht doch?
Früher habe ich enttäuscht das Geschäft verlassen, wenn ein unmotivierter Verkäufer wieder einmal auf meine Frage nach einem bestimmten Gegenstand mit den Schultern gezuckt und: „Haben wir nicht!“ geantwortet hat. Manchmal immerhin mit entschuldigendem, wahlweise sorgenvollem Blick. Und natürlich mit den unterschiedlichsten Formulierungen:
„Das führen wir leider nicht!“
„Hatten wir mal, glaube ich, aber jetzt leider nicht mehr“
Oder: „Oh-oh, da sind Sie bei mir falsch! Das finden Sie höchstens im Baumarkt!“
Heute suche ich selbst.
Ebenda, im Baumarkt...
… suchte ich neulich nach kräftigen Lederhandschuhen, um endlich unbeschadet über die Brombeerkolonien im Garten Herr zu werden.
Um es den Kunden leichter zu machen – möchte man jedenfalls meinen – war direkt am Eingang ein junger Mann an einem als „Info-Stand“ ausgewiesenen Tisch platziert, die Abkürzung für Informationsstand, wie ich in meinem jugendlichen Leichtsinn vermutete.
Weil ich nur wegen eines einzigen Artikels und in Eile mal eben kurz gezielt ein Paar Lederhandschuhe herausholen wollte, und mich freute, Zeit durch Information sparen zu können, sprach ich den Mitarbeiter mit meinem Anliegen an:
„Ham wa nich!“, war seine schnelle Antwort. Zu schnell, wie ich fand, war ich mir doch sicher, dass ich dort schon einmal Lederhandschuhe gefunden hatte.
Ich erzählte davon, er entgegnete mir genervt: „Nee, kann nicht sein, führe ich nicht.“
Toll, dachte ich, so jung und schon Besitzer einer Baumarktkette! Und als solcher weiß er sogar über jedes einzelne Teil im Laden Bescheid!
Ich zollte ihm also kurz und unverhohlen Respekt, um mich dann seufzend selbst auf die Suche zu machen.
Bei den Handschuhen – die es immerhin in Herren- und Damenausführung gab – wurde ich tatsächlich nicht fündig. Aber in der Baustoffabteilung, wo ja mit groben und ungehobelten Materialen umgegangen wird, wie ich Sherlock-mäßig überlegt hatte, wurde ich fündig. Ein ganzes Regal voller Handschuhe aus Leder eröffnete sich mir, vor denen selbst die dornigsten Brombeeren in Ehrfurcht erstarren und umgehend von alleine absterben würden, da war ich mir sicher.
Ich nahm drei Paar davon und zeigte sie dem Info-Mitarbeiter auf dem Weg zur Kasse, nicht ohne ihm eine genaue Wegbeschreibung zum Handschuh-Regal zu geben. Er lächelte verlegen und drehte sich zum nächsten Kunden, der sich freundlich nach Bambuspflanzen erkundigte. Ich hörte gerade noch seine Entgegnung: „Die sind noch nicht ausgepackt, also, noch im Container. Da müssen Sie morgen wiederkommen!“
Auch eine schöne Formulierung, dachte ich bei mir, und überlegte kurz, ob ich dem Suchenden noch schnell meine Entdeckung mitteilen sollte: Auf dem Weg zu den Baustoffen war ich draußen an prächtigem Bambus (ausgepackt, nicht im Container) vorbeigekommen – aber da war ich schon dran an der Kasse und beließ es bei der Hoffnung, dass der Bambus-Sucher auch auf eigene Faust fündig würde.
Ähnlich im Drogeriemarkt: „Medizinisches Duschgel? Müsste eigentlich beim Duschgel sein, haben Sie da schon geguckt?“
„Achso, beim Duschgel?! Nee, natürlich habe ich da nicht gerade schon eine halbe Stunde lang die Regale durchforstet, denn ich bin ein bisschen doof und habe beim Toilettenpapier gesucht.“
Schließlich fand ich einen Extra-Aufsteller mit allen möglichen medizinischen Duschgels und -Seifen und erzählte der freundlichen, aber auch völlig perplexen Verkäuferin davon, die reagierte, als hätte ich das Bernsteinzimmer entdeckt. In ihrem Laden!
Natürlich finde ich einen „mündigen Kunden“ auch gut, und alles kann ein Verkäufer auch nicht wissen, aber schön wäre doch, wenn er wenigstens alles dafür täte, einem zu helfen.
Denn:
Ich wünsche mir, im Geschäft gut beraten zu werden. Dazu gehört, dass ein Verkäufer
- Sich Zeit und den Aufwand in Kauf nimmt für mich
- Meine Frage nach einem bestimmten Artikel ernstnimmt
- Gut informiert ist über die Produktpalette im Geschäft
- Nachfragt oder nachsieht, wenn er sich nicht sicher ist, ob und wenn ja, dann wo das gewünschte Produkt zu finden ist
- Mitkommt zu dem Ort, wo er den Artikel vermutet und gegebenenfalls einen Mitarbeiter aus der entsprechenden Abteilung zu Rate zieh
Einfach aus Bequemlichkeit oder Unwissenheit „Ham wa nich“ zu sagen, schreckt ab und lässt Kunden zum Konkurrenten abwandern.
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